Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Niklas Clamann, der sich mit seiner Kanzlei auf die Durchführung von Ehescheidungsverfahren spezialisiert hat: Scheidung Online
Immer mehr Menschen nehmen ihre Finanzen mittlerweile in die eigene Hand. Sparpläne, Rücklagenbildung und Investitionen spielen eine immer größere Rolle. Dennoch ist auch vielen finanzbewussten Menschen nicht klar, welche Auswirkungen eine Scheidung auf diese Investitionen haben kann, denn das Thema Scheidung und Finanzen wird in unserer Gesellschaft leider noch immer tabuisiert.
Mit diesem Beitrag möchte ich daher mit diesem Tabu brechen und aufzeigen, wie sich eine Scheidung finanziell insbesondere im Bereich von Aktien und ETFs auswirkt. Maßgeblich hierfür ist der sogenannte Güterstand.
Die Zugewinngemeinschaft
In Deutschland ist es so, dass sofern man nicht ausdrücklich in einem Ehevertrag etwas anderes vereinbart, mit der Hochzeit der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft eintritt. Das bedeutet, dass die Vermögensmassen beider Ehegatten während der Ehezeit getrennt bleiben und jeder für sich wirtschaftet. Im Falle einer Scheidung findet sodann auf Antrag eines der Ehegatten der sogenannte Zugewinnausgleich statt. Hierbei wird der Vermögenszuwachs beider Ehegatten während der Ehezeit miteinander verglichen und derjenige, der den höheren Vermögenszuwachs – den sogenannten Zugewinn – erzielt hat wird verpflichtet, dem anderen die Hälfte dieses überschießenden Zugewinns auszuzahlen. Die Höhe des erwirtschafteten Zugewinns ergibt sich aus einem Vergleich der Vermögenslage zum Zeitpunkt der Eheschließung mit der Vermögenslage zum Zeitpunkt der Scheidung.
Das lässt sich am einfachsten an einem kurzen Beispiel darstellen:
Anna und Tom haben am Tag der Hochzeit jeder ein Vermögen von 1.000,00 €.
Während der Ehezeit verdienen Tom und Anna unterschiedlich viel Geld und wirtschaften mit diesem auch anders. Daher hat Anna am Ende der Ehe ein Vermögen von 10.000,00 € und Tom von 15.000,00 €. Der Zugewinn von Anna ist sind damit 9.000,00 €, der von Tom 14.000,00 €.
Damit übersteigt der Zugewinn von Tom den von Anna um 5.000,00 €. Diesen überschießenden Zugewinn muss Tom daher aufgrund des Zugewinnausgleichs mit Anna teilen, sodass er 2.500,00 € an sie zu zahlen hat.
Besonderheiten beim Zugewinnausgleich im Bezug auf Aktien und andere Wertpapier
Da Aktien, ETFs und andere Wertpapiere selbstverständlich auch Vermögenswerte darstellen, sind diese auch im Zugewinnausgleichsverfahren zu berücksichtigen.
Daher gelten für Wertpapiere im Grundsatz dieselben Regeln wie auch für sonstiges Vermögen. Da aber die Investition in Wertpapiere, Aktien und ETFs gerade darauf ausgelegt ist langfristig Gewinne zu erzielen, spielen sie natürlich eine besondere Rolle beim Zugewinnausgleich. Denn auch wenn du bereits ein bestehendes Portfolio mit in die Ehe bringst, wird nur der Wert zum Zeitpunkt der Eheschließung als Anfangsvermögen berücksichtigt. Wertsteigerungen während der Ehezeit müssen im Zugewinnauslgeichsverfahren vollständig berücksichtigt werden.
Auseinanderfallen des Berechnungs- und des Fälligkeitszeitpunkts
Eine besondere Relevanz in Bezug auf den Zugewinnausgleich bei Aktien hat zudem der Zeitpunkt der Vermögensberechnung am Ende der Ehe und die Fälligkeit des Zugewinnausgleichsanspruchs. Stichtag für die Berechnung des Endvermögens ist der Tag der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages. Die Rechtshängigkeit tritt dann ein, wenn der Scheidungsantrag des einen Ehegatten dem anderen Ehegatten durch das Gericht zugestellt wird. Das bedeutet, der Tag, an dem du den Scheidungsantrag im Briefkasten hast, ist der entscheidende Zeitpunkt für die Berechnung deines Endvermögens.
Fällig wird der errechnete Zugewinnausgleichsanspruch jedoch erst am Ende des Scheidungsverfahrens, und zwar dann, wenn die Scheidung rechtskräftig wird.
Je nachdem wie viel bei euch zu regeln ist, ob es Streitigkeiten gibt und wie die Terminsituation beim zuständigen Gericht ist, kann zwischen der Rechtshängigkeit und deren Rechtskraft der Scheidung ein längerer Zeitraum liegen. Ein zügiges Scheidungsverfahren ohne viele Streitigkeiten dauert in der Regel mindestens vier bis sechs Monate, streitige Verfahren können sogar Jahre laufen.
Während dieser Zeit soll der andere Ehepartner an dem Vermögen jedoch nicht mehr partizipieren. Und das betrifft sowohl die Gewinne als auch die Verluste. Das bedeutet, dass wenn alles glatt läuft und du mit deinem Investment in dieser Zeit Wertsteigerungen erwirtschaftest, du diese nicht mehr teilen musst. Jedoch besteht auch das Risiko, dass im Falle von Marktschwankungen und Kursverlusten Vermögenswerte bei der Berechnung berücksichtigt wurden, die sich zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Zahlungen gar nicht mehr in deinem Vermögen befinden. Denn auch in einem solche Falle bleibt weiterhin der Vermögenswert zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags maßgeblich, auch wenn die Aktienkurse in der Zeit danach erheblich gefallen sind. Eine Begrenzung des Zugewinnausgleichsanspruchs auf den noch vorhandenen Vermögensüberschuss zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Zugewinnausgleichsanspruchs kommt hierbei nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, 04.07.2012 – XII ZR 80/10) nicht in Betracht.
Diesem Risiko sollte sich jeder, der in Wertpapiere investiert und verheiratet ist oder jedenfalls heiraten möchte bewusst sein.
Berücksichtigung der latenten Steuerlast
Zudem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Zugewinnausgleichsanspruch um einen Geldausgleichsanspruch handelt. Das heißt, dass du nicht einfach einen Teil deines Portfolios übertragen kannst, sondern im Fall der Fälle dein Depot auflösen und einige Wertpapiere liquidieren musst.
Aus diesem Grund kannst du bei der Berechnung deines Vermögens jedoch auch die latente Abgeltungssteuerlast vermögensmindernd berücksichtigen – und zwar unabhängig davon, ob du tatsächlich vor hast Aktien zu verkaufen oder nicht. Die Abgeltungssteuer fällt für alle Kursgewinne, Zinsen und Dividenden aus Aktien und anderen Wertpapieren an, die nach 2009 erworben wurden und beträgt 25 %. Wichtig ist, dass das Gericht diese nicht automatisch vermögensmindern berücksichtigt, sondern nur, wenn du dem Gericht darlegst, wie hoch diese Steuerlast in deinem Fall wäre. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass du bzw. dein Anwalt dem Gericht nicht nur mitteilt, wie hoch deine Vermögenswerte aus Aktien oder ETFs sind, sondern zugleich auch die höhe der latenten Abgeltungssteuer mit geltend macht.
Es zeigt sich daher, dass auch wenn es sich bei Aktien und anderen Wertpapieren im Grunde um „normale Vermögenswerte“ handelt, beim Zugewinnausgleich dennoch einige Dinge besonders berücksichtigt werden sollten. Dies sollte man, wenn man im Scheidungsverfahren anwaltlich vertreten ist immer auch ausdrücklich besprechen.
Wie sichere ich mich ab?
Um die Risiken möglichst gering zu halten und insbesondere nicht – im schlechtesten Fall – aufgrund von Kursschwankungen draufzahlen zu müssen, würde ich jedem empfehlen, der langfristig in Wertpapiere investiert, mit seinem Partner zu besprechen, wie damit im Falle einer Scheidung verfahren werden soll. Wenn ihr euch etwa einig seid, dass ihr beide keine Ansprüche auf Zugewinnausgleich geltend machen wollt, dann ergeben sich die Probleme schon gar nicht. Denn anders als oft angenommen findet der Zugewinnausgleich nicht automatisch bei einer Scheidung statt, sondern nur dann, wenn einer von euch ihn beantragt.
Da die Erfahrung jedoch zeigt, dass in der emotionalen Ausnahmesituation Scheidung häufig doch Konflikte auftauchen und dann bloß privat getroffene Vereinbarungen nicht bindend sind, würde ich empfehlen eine grundsätzlich bindende notarielle Vereinbarung zu treffen. Entgegen der weit verbreiteten Ansicht müsst ihr hierbei auch keine „ganz oder gar nicht Regelung“ treffen und den Zugewinnausgleich komplett ausschließen. Vielmehr habt ihr auch die Möglichkeit weiterhin in der Zugewinngemeinschaft zu leben aber die Regelungen entsprechend eurer Bedürfnisse zu modifizieren und beispielsweise bestimmte Vermögenswerte – wie etwa eure Aktien und ETFs – aus dem Zugewinnausgleich herausnehmen oder den Stichtag für die Berechnung des Endvermögens anders zu bestimmen.
Es gibt also durchaus gute Möglichkeiten, um deinen Investitionserfolg und deinen Sparplan vor den Risiken bei einer Scheidung zu schützen. Und da Finanzen und Sicherheit in einer Partnerschaft ein wichtiges Thema sind, würde ich jedem empfehlen mit seinem Partner offen darüber zu sprechen, die eigenen Interessen zu kommunizieren und sich zusammen Möglichkeiten zu überlegen, wie im Falle des Falles beide am besten abgesichert sind. Denn alles was bereits vorher geklärt ist erspart viel Ärger im Falle einer Scheidung.
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Ein wichtiger abschließender Hinweis: Aus rechtlichen Gründen darf ich keine individuelle Einzelberatung geben. Meine geäußerte Meinung stellt keinerlei Aufforderung zum Handeln dar. Sie ist keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren.
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